Sonntag, Februar 11, 2007

Aussichten

Anfang dieser Woche an der Infanterieschule in Hammelburg. Mister Farenfield, seines Zeichens Major in der Army der Vereinigten Staaten und ehemaliger Kommandeur einer combat brigade im Irak auf die Frage nach den Aussichten im mittleren Osten:

We will not succeed in Iraq. You can quote me with name and rank. It 's common sense between foreign policy professionals and the military establishment. It is no secret. We will not succeed in Iraq.

Der hagere Offizier in Wüstentarn bedient in keiner Weise mein latent vorhandenes Vorurteil von US-Militärs als Cowboys mit rauchenden Colts. Seine Sicht auf Politik, Gesellschaft und Militär ist ausgesprochen differenziert. Gestellte Fragen beantwortet der ruhige Mann mit den durchdringenden grauen Augen präzise und scharfsinnig, wobei er auch Missstände auf der eigenen Seite unverblümt und kritisch zur Sprache bringt.

Wichtig ist es ihm, eine deutliche Trennlinie zwischen den politischen Entscheidungsträgern in Washington und der operativen Führung im Irak zu ziehen. Klarzumachen, dass die Regierung nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wie der Einsätze bestimmt. Dass bei diesen Entscheidungen weniger der Sachverstand sicherheits- und außenpolitischer Fachleute und Militärs entscheidend ist, als vielmehr die Meinungen ideologisch getriebener Schlüsselfiguren aus den inneren Kreisen der Entscheidungsträger.

Ein wenig Resignation ist dem Major auch anzumerken, wenn er von den unlösbaren Aufgaben im Irak berichtet, vor welche die personell und materiell massiv überlasteten US-Streitkräften von ihrer Regierung gestellt werden. Legt man die Berechnungsfaktoren eines aktuellen field manuals der Army zugrunde, währe Frieden und Stabilität in der Region mit einer Truppenstärke von ungefähr 500.000 Mann plus zivile Kräfte erreichbar. Momentan sind im Irak etwas über 130.000 Soldaten im Einsatz. Aber die aktuelle Administration verspricht ja durch ein baldiges Aufstocken der Kräfte endlich Erfolge herbeizuführen. Im Gespräch sind 12.000 Soldaten. You do the maths.

Und sogar fast wütend wirkt der Kommandeur, wenn er sich daran erinnert, wie er nord-westlich von Baghdad die Männer seiner Brigade wissentlich in einer aussichtslosen und immer weiter eskalierenden Lage verbraucht hat. Nur weil einige wichtige Menschen und mit ihnen der Präsident, Commander-in-Chief of the Armed Forces, es für opportun halten, diese 3500 Soldaten in einem Gebiet von der Größe Hessens zur Gleichen Zeit kämpfen zu lassen, friedenssichernd tätig zu sein und Wiederaufbauarbeit zu leisten. Ein Gebiet in dem sowohl durch die Langsamkeit der Regierung verpasste Chancen, als auch durch bewusste Fehlentscheidungen von Washington ein sinnlos brodelnder Kessel aus Krieg, Kriminalität, Bürgerkrieg, Armut und religiösem Fanatismus entstanden ist. It's not his problem. He won't run for president in 2008, anyway. And he'll make sure not to go into history as a coward president, intimidated by some random rag-heads.

Aber eines ist für Major Farenfield als Mensch beruhigend: Selbst wenn über 60% der amerikanischen Bevölkerung inzwischen gegen die Irakpolitik George W. Bush's sind, so steht sie doch zu 100% hinter ihren Truppen. Ein psychologischer Rückhalt für den Einzelnen, den Soldaten der Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen nicht haben.

Sollte das amerikanische Engagement im Irak letzten Endes im buchstäblichen Sande verlaufen, droht den USA ein ungeheurer Glaubwürdigkeitsverlust auf der internationalen Bühne. Ziemlich jede auch noch so redliche Bemühung für Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit wäre schon im Vorraus der Lächerlichkeit preisgegeben.
Der ein oder andere mag sich nun schadenfreudig die Hände reiben, doch sollte er dabei nicht vergessen, dass uns selbst ein ähnliches Debakel droht. Von den meisten Menschen unbemerkt entgleitet uns Europäern, mit dabei wir Deutschen, langsam aber sicher die Kontrolle über die Ereignisse in Afghanistan und im Kosovo. Die Gründe sind ähnlich und auch die Folgen würden ebenso verheerend sein. Was, wenn Afghanistan vollständig zurück ins Chaos verfällt? Was, wenn wir insbesondere im Kosovo versagen? Wer kann uns in der Welt noch ernst nehmen, wenn wir nichteinmal einen winzigen Landstrich vor unserer Haustür befrieden können?

Die Folgen eines solchen Versagens der westlichen Welt sind kein abstraktes sicherheitstheoretisches Konstrukt, sondern hätten eine heftige und sehr konkrete Veränderung unserer Art zu leben zur Folge. Dessen muss man sich bewusst sein.

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hui, das hast du aber gut geschrieben!!! Chapeau!

Anonym hat gesagt…

Das Wort "befrieden" impliziert für mich, dass Frieden importiert wird. Geht das?

Anonym hat gesagt…

Jaja,

wenn wir den Leo nicht hätten - ich wäre militärisch noch ungebildeter...

Es ist sicherlich kein Novum, was Du da geschrieben hast, aber gut ausformuliert und durchdacht! Aber was schlägt denn der Herr als Lösung für dieses Problem an?

Der Fehler im Irak hat ja in dem Augenblick begonnen, als W den völkerrechtswidrigen Angriff startete. Seit diesem Augenblick hat er nötige Truppen aus Afghanistan, die uns jetzt fehlen abgezogen. Dadurch verloren wir auch die Kapazitäten im Kosovo...

Nur eine Muslimische Armee oder besser gesagt Herscharen von nicht-westlichen Eingreifern könnten - wenn überhaupt - den Irak noch befrieden. Die Lage spitzt sich ja nur zu, weil es Amerikaner sind, die dort stationiert sind und weil es zum Hobby der Terroristen und Schurkenstaaten dieser Welt geworden ist, im Irak Amerikaner zu töten oder zumindest zu schwächen, in dem man Zivilisten tötet, ist ja auch leichter...

Das Geld, was W für diesen Krieg ausgegeben hat hätte ausgereicht um Saddam freiwillig aus dem Amt zu heben ;-) und das war ja das einzige Ziel! Aber egal, rate lieber mal, wer Dir diesen Kommentar zum Besten gegeben hat und mach Dir nen schönen Tag.

Anonym hat gesagt…

(Ich wollte mal anmerken, dass ich solche pseudo-anonymen Kommentare nach dem Motto "Rate mal..." relativ unmöglich finde. Aber ist ja nicht mein Blog ;-).)

Was wirklich ärgerlich ist, und das gilt für Afghanistan wie für den Kosovo: In beiden Fällen haben wir uns das nicht selbst eingebrockt. In beiden Fällen standen in Deutschland politische Mehrheiten gegen die Auslandseinsätze, und in beiden Fällen hat die deutsche Regierung, mit zugegeben guten Gründen, dem Druck aus dem Ausland trotzdem nachgegeben.

Ich würde auch sagen, dass der letztlich einzige Weg aus der Misere ist, die Kontrolle an kulturell identische oder wenigstens kulturnahe Besatzer zu übergeben. Man sollte sich in dem Zusammenhang nur bewußt sein, dass die dann nicht unbedingt nach westlichen (Menschenrechts-)Standarts vorgehen würden.

Super Text, Leo - Ich linke mal, ja?

Anonym hat gesagt…

Ich habe bewusst keine Lösungen versucht zu finden, sondern wollte nur einmal das Problem anreißen...

Die Frage nach dem Import von Frieden ist sehr gut und genau das, was Simon auch anspricht. Kulturell ähnliche "Besatzer". Das ist ja die Misere. Damit würden wir uns etwas eingestehen müssen: Die westliche Welt mit ihren Vorstellungen von Demokratie, Gerechtigkeit und all unseren Werten steht kurz davor als Vorbild zu scheitern.

Wenn westliche Exit-Strategien fehlschlagen und die Industrienationen daran scheitern geschaffenen Frieden auch zu sichern, werden sie keine moralische Macht mehr auf der Welt sein, sondern nur noch eine wirtschaftliche.

Das Beispiel des Kosovo noch weiter auszuführen, hätte den Rahmen des Artikels gesprengt. Ist ja so schon recht lang geworden. Ich will dazu nur sagen, dass GO's und Militär inzwischen Anweisungen von der Regierung haben, nur noch geweißelte Meldungen nach oben weiterzugeben und auch NGO's größtenteils geschönte Berichte an ihre Spender liefern.

Niemand ist gerne ein unfähiger Verlierer. Weder egoistische Politiker an der Regierung, noch der engagierte Gutmensch in seiner Community.

Anonym hat gesagt…

Zum Thema Sicherheits Sektor Reform:

http://en.wikipedia.org/wiki/Security_sector_reform

Anonym hat gesagt…

Hey Simon,

hier ist der nervige „pseudo-anonyme“ Weltverbesserer... Glaubst Du denn, dass die Amerikaner auf Menschenrechte achten? Oder, dass im irrealen Fall eines Abzugs der Truppen die irakische Regierung Rücksicht auf Menschenrechte nehmen würde?

Anonym hat gesagt…

Ich glaube, dass die Amerikaner mehr auf Menschenrechte achten, als z.B. eine iranische Besatzungstruppe das tun würde. Oder auch die Iraker, so weit die Polizei- und Sicherheitskräfte dort überhaupt in der Lage wären, die Ordnung aufrechtzuerhalten.

Ich denke, der Punkt ist ein ganz anderer, das hatte Leo auch schon angesprochen:
Wieso gehen wir davon aus, dass sich ein so hochentwickeltes politisches System wie unseres (Rechtsstaat, Grundrechte, Demokratie, Marktwirtschaft etc.) auf eine deutlich weniger weit entwickelte Kultur wie den Irak "aufpropfen" lassen könnte?
Auch in den westlichen Staaten gingen dieser Entwicklung mehrere Jahrhunderte Feudalismus, Absolutismus und einige Revolutionen voraus. Und auch in den westlichen Staaten ging man zu dieser Zeit mit den Menschenrechten (die damals noch gar nicht wirklich erfunden waren) nicht zimperlich um.

Im Umkehrschluss folgt aus diesem Argument: Muss man diese "Schurken"-Staaten nicht einfach machen lassen? Muss man nicht zulassen, dass sich dort, unter Einsatz von Terror und Gewalt, eine staatliche Ordnung manifestiert, weil nur aufbauend auf dieser Ordnung überhaupt Demokratie möglich ist?

Und noch einen Schritt weitergedacht: Welches Umdenken müsste stattfinden, dass diese "laisser faire"-Mentalität sich in den westlichen Staaten so weit eingräbt, dass diese in Gebieten ihres Einflussbereichs Menschenrechtsverletzungen dulden würden? Ich denke, ein sehr umfangreiches Umdenken.

Andererseits ist, vor dem Hintergrund des immer stärker werdenden Einflusses der Chinesen, ohnehin ein Umdenken gefragt, und das ist nicht ideologischer/idealistischer Natur, sondern schlicht sicherheitspolitisch. Innerhalb des chinesischen Einflussbereichs sind Interventionen, und seien sie noch so humanitär motiviert, nämlich einfach nicht mehr möglich. Und dieser Einflussbereich wächst. Die Frage hat sich also ohnehin erledigt.

(Ich würde es immer noch sehr begrüßen, wenn ich mit einer ansprechbaren Person kommunizieren könnte)