Sonntag, September 03, 2006

Zurück

Ich bin wieder da. Zwei Wochen lang war ich weg und habe ich mich jeglichem Kontakt mit meiner Augsburger Welt entzogen. Die Alpen sind ein guter Ort dafür...
Zwei Wochen lang bin ich mit Christian bergauf und bergab gekrabbelt, stetig gen Süden gewandt und unser Ziel vor Augen: Den Lago di Como. Von unserem Startpunkt in Oberstdorf im Allgäu sind das zu Fuß etwa 270 Kilometer Entfernung, gut 14000 Meter An- und etwa 15000 Meter Abstieg.
Blöd war, dass wir uns den regnerischsten Sommer in Mitteleuropa seit 1951 für unsere Tour ausgesucht hatten. Bis auf zwei erfreuliche Ausnahmen hat es jeden Tag geregnet. Glücklicherweise nicht immer den ganzen Tag. Denn manchmal hat es auch geschneit. Oder gehagelt. Angenehm war immer Nebel, weil einem dann kein Wasser in den Nacken gelaufen ist.

Unsere Tour hat uns durch Österreich, die Schweiz nach Italien geführt und uns einen herrlichen Querschnitt der Alpen präsentiert. Jeden Tag, hinter jeder Gebirgskette trifft man auf andere Geologie und Vegetation. Und Menschen. In jedem Tal haust ein anderer Menschenschlag, der sich stolz von seinen Nachbarn abhebt. Alle haben mit der gleichen, nicht besonders lebensfreundlichen Umwelt zu kämpfen, meistern diese Herausforderung jedoch auf die unterschiedlichsten Arten und Weisen. Stets angepasst an die vorherrschenden Bedingungen, haben sich dadurch hochspezialisierte Symbiosen von Berg und Mensch entwickelt. Der Beruf des Kuhhirten ist mir hier, offenbar seit Jahrhunderten unverändert, das erste Mal in meinem Leben begegnet...

Ich habe viel erlebt auf dieser Wanderung. Aber auch wiederum nichts. Habe viel zurückgelassen in den Bergen, dafür anderes mitgenommen.

Man hat sich lange nicht gesehen und ein paar Tage lang gibt es noch viel zu erzählen. Bald jedoch ist alles gesagt und der Gefährte wird zur stummen Erweiterung eines selbst. Tag und Nacht stets wenige Meter entfernt, stets alle Eindrücke teilend, erübrigt sich bald jegliche überflüssige Kommunikation. Oft sind die einzigen für Stunden gewechselten Worte die kurze Warnung vor einer losen Stelle im Geröll, ein leiser Hinweis auf den Sprung Gemsen, der kaum sichtbar auf einem Felssims zur linken entlangzieht, oder die Bitte nach der Wasserflasche aus dem Rucksack.

Viele, viele stille Stunden des Gehens geben einem die Möglichkeit zu Denken. Zuendezudenken. Nicht mehr zu denken.
Der Geist konzentriert sich nach einiger Zeit darauf, die brennenden Schmerzen in Gelenken und Sehnen, an Füßen und Knien niederzukämpfen und sie zu einem Teil des neutralen Körpergefühls zu machen. Erfolgreich.
Die Sinne konzentrieren sich darauf, die vielfältig zarten Signale der Umgebung aufzunehmen. Die Zeichen von Wolken und Wind, Felsen und Erde, Flechten und Glockenblume, Bergfinken und Murmeltier. Immer erfolgreicher.


Die klebrige Stickigkeit des Mailänder Bahnhofs am 21. August 2006 ist mir fast unerträglich. Die wirre Menschenmasse lärmt hektisch mit den Zugmotoren um die Wette und ihr dumpfer Geruch mischt sich mit dem Gestank von schmorenden Bremsbelägen und heißem Teer. Verkrüppelte Stadttauben wirbeln mit ihren Flügelschlägen Asche und Staub vom speckigen Betonboden auf, als sie sich gierig auf die von der vertrockneten Hand einer Stadtstreicherin hingeworfenen Brotkrumen stürzen.
Ich quetsche mich mit zahllosen anderen schwitzenden Leibern in den Zug nach München. Aber ein Hauch lupenreiner Gebirgsluft, der am Garnera Joch über ein Firnfeld eilend, um eine Felskante wirbelnd in meine Lunge dringt, kühlt mich. Und der Schluck kristallklaren Quellwassers, der unter dem Piz Platta an weißblühenden Moospolstern vorbei über einen glatten Stein talwärts murmeln wollte, vertreibt den faden Geschmack in meinem Mund.

Mehr Fotos gibt's hier.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Geile Sache!!! Respekt. Hab ich dir ja damals in Augsburg schon gesagt, dass ich dieses Vorhaben total klasse finde. Meine Anerkennung ist dir sicher.